Großartige Ensembleleistung für eine homogene und überzeugende Besetzung mit Malin Byström, Lucio Gallo und Jonas Kaufmann
Giacomo Puccinis La Fanciulla del West wird an der Bayerischen Staatsoper in München in der 2019 Inszenierung von Regisseur Andreas Dresen wiederaufgenommen, mit Bühnenbildern von Mathias Fischer-Diskau und Kostümen von Sabine Grünig.
Die Inszenierung ist insgesamt von großer Qualität und bestätigt die beeindruckende Fähigkeit der bayerischen Oper, komplexe Titel anzubieten, die um zu funktionieren eine große Anzahl von Solopartien und eine genaue und realistische Inszenierung erfordern.
Genau das tut Andreas Dresen, der die Geschichte in die Gegenwart verlegt, in eine nicht näher bezeichnete Mine, die zum Archetyp und Symbol für all die ausbeuterischen Situationen, die es heute noch in der Welt gibt, wird. Die Szene ist dementsprechend kahl. Im ersten Akt Stacheldraht, erhöhte Plattformen, eine Rampe. Die Bergleute kommen mit Lampen ausgerüstet aus der Erde und finden in Nicks armer Stube eine Erfrischung.
Was einem sofort auffällt, ist die minutiöse Sorgfalt, die bei der schauspielerischen Darbietung und der Interpretation jedes einzelnen Sängers vorgenommen wurde, eine Sorgfalt, die bei der Wiederaufnahme offensichtlich nicht versagt hat. Präzise, mitreißend, ausgewogen und filmisch ist die Inszenierung; immer mit einem Auge für Klarheit gibt es absolut überzeugende Schlägereien, Auseinandersetzungen, Kartenspiele, die Verteilung der Post, die Abreise eines Kameraden, die Ankunft des Wells Fargo-Agenten und so weiter. Dies natürlich, ohne dass die stets sehr hohe stimmliche und musikalische Qualität auch nur im Geringsten beeinträchtigt wird.
Großes Inszenierungsgeschick, akkurate Ensemblearbeit aller Darsteller für ein Ergebnis, das einen mit offenem Mund zurücklässt, bezüglich der Natürlichkeit und Präzision des gesamten beteiligten Ensembles. Dies demonstriert die stets sehr hohe Qualität der bayerischen Oper und die erfolgreiche Entscheidung, ein stabiles Ensemble zu haben.
Im zweiten Akt ist Minnies Haus eine angedeutete Blechhütte inmitten einer desolaten Bühne, fast ein greifbares Symbol für ein sicheres Nest, eine Insel inmitten der Wildnis. Der Rest der Bühne ist leer und im Hintergrund ist ein Schneesturm zu sehen. Die Geschichte spielt sich in diesem allzu kleinen Haus ab, und alles wird mit Wahrhaftigkeit, Realismus und auch Ironie dargestellt: Ironie in der Eröffnungsszene mit den indischen Dienern, in der man sich Wowkle schwanger vorstellt und nicht mit einem Baby um den Hals, was den Dialog mit ihrem zukünftigen Ehemann irgendwie zynisch und surreal macht. Und dann ist noch die Ironie in der Liebesbegegnung zwischen Minnie und Dick Johnson, in der der Regisseur auch die Karte der Peinlichkeit spielt, mit einem Liebhaber, der nicht so stolz ist wie sonst, sondern voller Unsicherheiten und auch mit einer gewissen Unbeholfenheit. Kaufmanns Bühnenperformance ist in dieser Hinsicht meisterhaft.
Die darauffolgende Szene mit Jack Rance und dem Pokerspiel ist mit Raffinesse, Präzision und Genauigkeit umgesetzt, ohne dass auch nur das kleinste Detail (von der Zigarre bis zu den Blutstropfen) dem Zufall überlassen wird. Darin sieht man die filmische Abstammung des Regisseurs Andreas Dresen.
Im dritten Akt wird die Bühne noch kahler: nichts als eine große leere Fläche mit mehreren Ebenen und einem Telegrafenmast aus Stahl. Alles wird vom Chor gefüllt, der ebenfalls wunderbar geführt und natürlich in die Handlung eingebunden ist. Es ist ein großartiger Ensembleschauspiel, das sich über die gesamte Handlung erstreckt, von der Jagd auf Johnson über seine Festnahme bis hin zu Minnies Einbruch und dem darauffolgenden glücklichen Ende mit der Flucht der Liebenden aus Kalifornien.
Als die beiden Hauptdarsteller das Land verlassen wollen, schließt sich der Himmel langsam und unaufhaltsam durch zwei Kulissen. Der Direktor glaubt nicht an diese Erlösung und versperrt Minnie und Dick Johnson physisch den Weg, bevor sie tatsächlich gehen können.
Eine einfache Inszenierung, wenn Sie so wollen, aber beeindruckend in der Ausführung und im Umgang mit den Massen und den vielen Ensembleszenen. Ein meisterhaftes Werk, das das ungewöhnliche Verdienst hat, zu zeigen, dass theatralische Realitätsnähe auch im Opernhaus möglich ist.
Authentizität, zu der ein beeindruckendes Trio von Hauptdarstellern viel beigetragen hat. Beginnend von Jonas Kaufmanns mit Spannung erwarteter Dick Johnson. Er enttäuschte die Erwartungen nicht. Seine Darbietung war so persönlich wie immer und konzentrierte sich ganz auf die Glaubwürdigkeit der Figur, sowohl stimmlich als auch szenisch. So hat sein Johnson die unsicheren Züge eines jungen Mannes, der in ein Spiel verwickelt ist, das über ihn hinausgeht; der vor einer Frau wie Minnie unaufhaltsam in Verlegenheit gerät, fast unbeholfen wird und dem Komödiantischen zuneigt. Die Stimme reagiert entsprechend: mit Legato, Halbtönen, nuancierten Akzenten, ungewöhnlichen Betonungen und perfekten, plötzlichen Aufstiegen zu hohen Noten, sowie dem fast gedämpften, reibungslosen Auftakt seiner berühmten Arie im dritten Akt. Kaufmann passt sich perfekt an Dresens filmische Inszenierung an und ist immer in der Rolle, was Blicke, Bewegungen und emotionalen Kontakt mit der Situation angeht. Kaufmann geht über den Opernsänger hinaus, er lässt das Publikum vergessen, dass er singt. Er stellt nicht dar oder singt, er befindet sich auf einer höheren Ebene, er 'spielt' die Rolle, und das Ergebnis ist einfach mitreißend, absolut, überzeugend.
Ihm zur Seite steht die hervorragende Minnie von Malin Byström, die den Vergleich mit ihren Kollegen nicht zu scheuen braucht und die Rolle souverän und überzeugend verkörpert. Byström ist reich an Akzenten und Nuancen, mit einem kontrollierten Gesangsstil, der sich jedoch nicht davor scheut in den dramatischsten Szenen, bis in die offenen Hochtöne und fast bis zum Schrei zu bewegen. Sie ist ebenfalls eine gute Schauspielerin und gibt eine anmutige und mütterliche Jungfrau, die sich in eine entschlossene und gerissene Frau verwandelt, wenn es darum geht, ihre Liebe zu dem Räuber Johnson zu beweisen.
Komplettiert wird das Hauptdarsteller-Trio durch einen unvergleichlichen Lucio Gallo, der den erwarteten Claudio Sgura in letzter Minute ersetzt hat. Die Karriere des italienischen Baritons muss nicht vorgestellt werden, und die Aufführung des gestrigen Abends bestätigte eine intakte, kraftvolle und klangvolle Stimme; die Phrasierung ist meisterhaft, das Festhalten an der Rolle vollständig. Die scharfen, anhaltenden Akzente zeichnen einen Bösewicht, der blind und grimmig ist, aber bereit, in der Niederlage sein Wort zu halten und in der Schlussszene atemlos zu bleiben, als es Minnie gelingt, die Bergleute zu überzeugen Dick Johnson zu retten. Auch sein Auftritt war unvergesslich.
In einem Werk wie 'La Fanciulla del West' kann das Hauptdarsteller-Trio nur auf einem fruchtbaren und vorbereiteten Humus von 'sogenannten' Nebenrollen herausragen. Nun, in Dresens Inszenierung sind es genau diese Nebenfiguren, die das Fundament der Dramaturgie und der Oper bilden. Die Vorbereitung, der Einsatz, sowohl körperlich als auch stimmlich, des gesamten Ensembles war absolut lobenswert und trug entscheidend zu der großartigen Aufführung bei, die wir erlebten.
Angefangen bei Kevin Conners' exzellentem Nick, sympathisch und hinterhältig im ersten Akt, sanft und emotional im Finale, zeichnet er ein perfektes Alter Ego von Minnie und verfügt über eine solide, klare Tenorstimme. Tim Kuypers war ein schelmischer, spöttischer Sonora mit hervorragender stimmlicher Projektion und bemerkenswerter Bühnenbeteiligung. Bàlint Szabò ist ein klangvoller und überzeugender Asbhy. Die gesamte Gruppe der Minenarbeiter war lobenswert, für die exzellente Gesangsdarbietungen und das großartige Bühnenspiel des Ensembles. Hier und da bemerkte man ein paar Schwächen in der italienischen Diktion, die aber weitgehend verzeihlich waren. Tatsächlich setzte sich die Gruppe der Sänger aus Darstellern verschiedenster Nationalitäten zusammen, so wie es auch für Puccinis Minenarbeiter der Fall ist: Roberto Covatta war Trin, Roman Chabaranok Sid, Benjamin Taylor Bello, Andréas Agudelo Harry, Jonas Hacker Joe, Martin Snell Happy, Blake Denson Larkens, Daniel Noyola Billy Jackrabbit, Sean Michael Plumb Jake Wallace, Thomas Mole Josè Castro, Ulrich Ress un Postiglione. Eine lobende Erwähnung geht an Lindasy Ammann für ihren lustigen Auftritt als Indianerin Wowkle.
Daniele Rustioni dirigierte das Bayerische Staatsorchester mit entschlossenem Fingerspitzengefühl und zeitgenössischen, zuweilen expressionistischen Akzenten. Der italienische Dirigent bot eine raffinierte Orchestrierung, die dem symphonischen Gepräge und Puccinis experimentellem Coté das richtige Gewicht verlieh und jedes Solostück mit Klarheit und Präzision hervorhob. Die Beziehung zur Bühne war nicht immer im Fokus, wobei das Orchester die Sänger manchmal überwältigte.
Ein großartiger Opernabend in einer praktisch ausverkauften Bayerischen Staatsoper. Langer Applaus im Finale für alle Darsteller, mit echten Ovationen für das Hauptdarsteller-Trio.
Raffaello Malesci (28 Oktober 2022)